Die Autorin

Auf dem Areal einer ehemaligen sowjetischen Kaserne bei Königsbrück. Foto: J. Jannke
Auf dem Areal einer ehemaligen sowjetischen Kaserne bei Königsbrück. Foto: J. Jannke

Liebe Leser, mein Name ist Jane Jannke. Geboren 1979 in Dresden und noch immer hier wohnhaft,  bin ich die Autorin dieses Blogs. Ich arbeite als freiberufliche Journalistin und Autorin und blogge zudem seit nunmehr über acht Jahren. Zunächst über das Art und Wiese-Blog, seit 2014 über die „Kurilka“. Im Oktober 2016 ist die Kurilka von der wordpress-Spielwiese auf eine eigene Domain umgezogen.

Wie ich wurde, was ich bin

Der Drang, mich übers geschriebene Wort auszudrücken, ward mir quasi in die Wiege gelegt. Schon in der Schule schrieb ich ellenlange Geschichten statt Aufsätze, erfand zweifelhafte Helden, die ich in der heruntergekommenen Welt meiner Kinderjahre in der Dresdner Neustadt und ab 1989 in der diametral entgegengesetzt beschaffenen Welt des Betonsilos von Dresden-Gorbitz fand. Schon damals führte ich das, was man heute Blog nennt – nämlich ein Tagebuch. Es ist noch heute in meinem Besitz. Nach dem Abi und einem einmonatigen Aufenthalt in den USA in Phoenix/Az. wollte ich Sportjournalismus studieren, Kommentatorin werden fürs Fernsehen, mit Schwerpunkt Tennis und/oder Wintersport. Doch so richtig wusste 1997 in unserem nach DDR-Verständnis wahrhaft vorbildlich-proletarischen Arbeiterhaushalt niemand so recht, wie und wo man das denn werden konnte. Ich fand ein Privatinstitut in Hamburg  – zu teuer. Es kam, wie er kommen musste, der klassische Eltern-Rat: „Kind, lern doch erst mal was Vernünftiges, bring Geld nach Hause. Studieren kannst du später immer noch.“ Ich machte also zunächst eine Ausbildung in einem Beruf, in dem ich erwartungsgemäß nicht glücklich wurde. Ich wollte mehr als nur am Schreibtisch sitzen. Ende 2005 begann ich neben meinem Job Politikwissenschaften zu studieren. Als das rauskam, folgte die Kündigung – das Beste, was mir je passierte. Von meiner Abfindung kaufte ich mir einen Fotoapparat und einen Flachbildschirm, finanzierte zwei weitere Semester Studium – und begann zu bloggen. Parallel versuchte ich, meinem Ziel, in den Journalismus zu wechseln, näher zu kommen. Es folgten Aushilfsjobs als Sachbearbeiterin, Sekretärin und schließlich als Korrektorin der Dresdner Hauptausgabe bei der Sächsischen Zeitung. Das erhoffte Praktikum in der dortigen Politikredaktion konnte ich mir aber schon bald aus dem Kopf schlagen: Die SZ erwartete dafür schon vorhandene journalistische Erfahrungen, und für ein Praktikum in der Lokalredaktion ein abgeschlossenes Studium. Da ich weder das eine noch das andere vorweisen konnte, ging ich zur Konkurrenz. Bei den Dresdner Neuesten Nachrichten nahm man zwar prinzipiell Praktikanten ohne journalistische Vorbildung. Aber man musste eine Art Eignungstest absolvieren. Texte einreichen, Meldungen schreiben. Mit meinen Resultaten war der stellvertretende Chefredakteur mehr als unzufrieden: „Also, wo soll ich Sie bloß hinstecken? Sie kommen nicht auf den Punkt, schreiben zu ausschweifend.“ Darauf ich: „Wie wäre es mit folgendem Vorschlag: Sie testen mich eine Woche gratis, und wenn Sie dann immer noch derselben Ansicht sind, können Sie mich doch immer noch wieder vor die Tür setzen.“ Erst ein Stirnrunzeln, dann ein Lächeln – und ich hatte meine Chance. Viel zu verlieren hatte er auch nicht, als Praktikant erhielt ich ohnehin nur das minimal vergütet, was auch wirklich veröffentlicht wurde.

Bei der Arbeit. Hier bei der Einweihung eines muslimischen Gräberfeldes auf dem Dresdner Heidefriedhof 2012. Foto: Dietmar Groschischka
Bei der Arbeit. Hier bei der Einweihung eines muslimischen Gräberfeldes auf dem Dresdner Heidefriedhof 2012. Foto: D. Groschischka

Aus einer Woche als Praktikantin bei den DNN wurden sechs. Und als die rum waren, bot man mir an, frei weiterzuarbeiten. Keine fünf Monate später fragte mich der Mann mit den anfänglichen Zweifeln, ob ich mich nicht um die frei werdende Stelle als Volontärin bewerben wolle. Ich setzte mich gegen sechs Mitbewerber durch – und musste überrascht feststellen, dass mir das offenbar vor allem wegen meines bereits fortgeschrittenen Alters (ich war mit fast 32 wohl die älteste Volontärin, die je zugelassen wurde) gelungen war: „Irgendwie muss das ja noch was werden mit dir, also wollen wir uns mal erbarmen“, frotzelte Chefredakteur Dirk Birgel damals augenzwinkernd. Und so war ich nun Volontärin. Mein Studium der Politikwissenschaften hängte ich dafür an den Nagel – zwei Semester vor dem Abschluss. Denn eigentlich war ich ja da, wo ich zunächst hinwollte. Zwei Jahre vergingen schnell. Es waren lehrreiche, spannende, schöne, anstrengende Jahre bei den DNN, die ich bis heute nicht missen möchte. Gegangen bin ich ungern, musste es aber, weil es nach Ende meines Volontariats bei den DNN keine Stelle gab, um die ich mich hätte bewerben können. Die Krise der Tageszeitungen, sie trifft die kleinen Blätter bekanntlich meist besonders hart.

Ende 2013 machte ich mich als Journalistin selbständig. Dann – eine Reporterstelle wird bei der Sächsischen Zeitung in Meißen frei. Genial! Genau das, was ich suche, denn das Herumstöbern nach Menschen und ihren Geschichten, nach großen und kleinen Plänen, Ungerechtigkeiten, Engagements und Menschlichkeiten ist meine Sache! Ich bewerbe mich, es kommt zum Gespräch mit Lokalchef Ulf Mallek – wir reden fast eine Stunde. Ich scheitere knapp an einer sehr begabten und gestandenen hauseigenen Volontärin. Ich werde sie alsbald auf Terminen in und um Meißen herum treffen – denn kurz darauf kommt unerwartet das Angebot der DNN: Ich kann für drei Monate den Redakteur in Radebeul vertreten. So kommt es, und ich plane und fülle die Regionenseite der DNN für Radebeul und Umgebung drei Monate lang selbständig. Wieder eine lehrreiche Zeit. Kurz darauf ein Angebot aus Zittau: Ich kann als Lokalredakteurin für die SZ anfangen! Doch ich lehne ab, denn gleichzeitig kommt ein SZ-Angebot aus Freital: Festfreie für die Stadtseite mit guten Aussichten auf spätere Festanstellung. Da ich gern möglichst nahe bei Dresden bleiben möchte, entscheide ich mich für Freital. Eine Entscheidung, die ich später bereuen würde.

Es ist keine glückliche Zeit in Freital. Es ist nicht meine Stadt, es sind nicht meine Menschen, es ist nicht mein Job. Dennoch bleibe ich fast anderthalb Jahre. In einer Zeit, in der die Stadt im Zuge der Flüchtlingskrise zum nationalen Symbol für Menschenfeindlichkeit und Intoleranz wird, stehe ich als zuständige Lokalredakteurin zunächst gemeinsam mit dem alten, dann mit dem neuen Lokalchef an vorderster Front – bis im Juli 2015 endlich die lang ersehnte Verstärkung kommt. Plötzlich bin ich Protagonist eines Berufesstandes, der nie gekannten Anfeindungen ausgesetzt ist. Beim SZ-Wahlforum zur Freitaler Oberbürgermeister-Wahl im Mai 2015 fliehen die SZ-Moderatoren förmlich unter den Hassgesängen eines bedrohlichen Mobs aus der Arena, während wir Redakteure noch tapfer für den Stimmensplitter ausharren und uns beschimpfen lassen. Ich bekomme fast wöchentlich Hassmails, werde öffentlich angeprangert, man droht mir schlagkräftigen Besuch zu Hause und „Kuren“ für mein Auto an, während ringsum Schaufenster, Asylwohnungen und Autos von Politikern in die Luft fliegen. Anschließend brauche ich eine siebenmonatige Pause.
Nach dem Wiedereinstieg 2016 und weiteren sechs Monaten in der Lokalredaktion Dippoldiswalde ist im Oktober 2016 entgültig Schluss. Ich möchte endlich wieder über Themen schreiben, die mich wirklich bewegen und eben solche Menschen treffen – und das nicht nur einmal in sechs Monaten! Ich möchte wieder wissen, warum ich diesen Job einst machen wollte, statt ihn mir von einer Handvoll vor Langem Gescheiterter zur Hölle machen zu lassen.

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Ausstellungstafel zu Nutzung des Hellerauer Festspielhauses als Kaserne der Sowjetarmee zwischen 1945 und 1992
Ausstellungstafeln zur Nutzung des Hellerauer Festspielhauses  in Dresden als Kaserne der Sowjetarmee zwischen 1945 und 1992. Im September 2016 wurde die erweiterte Ausstellung feierlich eröffnet. Foto: J. Jannke

Seither arbeite ich wieder komplett frei  – nach wie vor für die Sächsische Zeitung, aber auch für alternative Magazine sowie Vereine. Für das Festspielhaus Hellerau erarbeitete ich 2015 im Auftrag des Werkbundes Sachsen die Ergänzung der Dauerausstellung zur Geschichte des Festspielhauses Dresden-Hellerau um die Epoche von 1945 bis 1990, als das Areal von der Sowjetarmee als Kaserne genutzt wurde. Meinen Neigungen und Talenten entsprechend sind vor allem Reportagen und Porträts meine Sache, Genres, in denen man dem Kern von Thematik und Charakteren wirklich nahe kommt, statt nur ihr Äußerstes zu streifen. Meine Themenschwerpunkte liegen dort wie auch hier im Blog vor allem im sozialen, historischen und politischen Bereich, wobei ich hier gern kombiniere.

Mit Leidenschaft forsche ich zur Geschichte der sowjetischen Besatzungsjahre in meinem Heimatland Sachsen zwischen 1945 und 1992. Eine Reminiszenz daran bildet dieses Blog, für das ich mich in vielerlei Hinsicht von dieser Epoche habe inspirieren lassen. Eine zentrale Position nimmt dabei der Sowjetische Garnisonfriedhof in Dresden – genauer gesagt, seine über 2300 Toten – ein, deren Schicksale ich seit dem Jahr 2012 sukzessive erforsche. Von 2010 bis 2014 war ich im Kampf um den Erhalt des Nordflügels des Garnisonfriedhofes in einer Bürgerinitiative aktiv. Aus dem nachfolgenden Verein bin ich aufgrund interner  Differenzen alsbald ausgetreten. Doch immerhin: Es ist uns gelungen, den geplanten Abriss dieses historisch so bemerkenswerten und athmosphärisch so beeindruckenden Friedhofsteils vorerst zu stoppen. Mehr dazu ist auf in der „Kurilka“ unter der Rubrik „Sowjetischer Garnisonfriedhof“ in den Beiträgen zu finden.

Ich glaube an die berühmten Sätze Mahatma Gandhis, dass die Geschichte uns lehrt, dass sie die Menschen nichts lehrt. Daran, dass Geschichte sich unweigerlich wiederholt, in derselben Frequenz wie die Menschen in Phasen des Friedens und fetten Jahren des Wohlstandes dem Vergessen und dem Überdruss anheim fallen. Das Wesentliche ist daher, darüber zu berichten – wider das Vergessen. Eine weitere Leidenschaft ist die Musik, in den letzten Jahren insbesondere die klassische. Seit seiner Gründung 1985 sang ich als Kind im Kinder- und Jugendchor der Singakademie Dresden – bis mir die unruhigen Jahre der Wendezeit mit wechselnden musikalischen Leitern den Spaß daran gründlich vergällte. Treu geblieben bin ich dem Genre dennoch über die Jahrzehnte. Seit 2016 singe ich nun auch selbst wieder – im Neuen Chor Dresden. Besonders am Herzen liegt mir der musikalische Nachwuchs, der es im digitalen Zeitalter schwerer hat, denn je zuvor.

Hier wie da nimmt das stete Abgleichen des Hier und Jetzt mit der Vergangenheit einen wesentlichen Teil meiner Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch. Das unvoreingenommene Beschäftigen mit der Geschichte ist ein unersetzlicher Reifeprozess. Wie erfolgreich er verläuft, erkennt man zumeist daran, wie häufig man dabei in die Lage gerät, innere Überzeugungen kolossal überdenken zu müssen. Meinen eigenen Reifeprozess, was das betrifft, kann man in diesem Blog eindrucksvoll nachvollziehen. Meinen Lesern wünsche ich allezeit viel Spaß und ein Augenzwinkern dabei 🙂