Nach dem Axt-Anschlag von Düsseldorf: Mutter macht mit Fotos ihres lebensgefährlich verletzten Sohnes Stimmung gegen Medien und Flüchtlinge.

Ein junger Mann steht am Düsseldorfer Hauptbahnhof am Bahnsteig. Plötzlich Tumulte: ein scheinbar Irrer schlägt wahllos mit einer Axt auf die Wartenden ein, nachdem er zuvor bereits in einem Zug wildfremde Passagiere attackiert hatte. Der junge Mann wird am Kopf getroffen, schwerz verletzt. In einem Krankenhaus verlegt man ihn ins künstliche Koma, um sein Leben zu retten. Seine Mutter eilt an sein Krankenbett. An dieser Stelle machen wir kurz einen Punkt. Nach dem Axt-Anschlag von Düsseldorf: Mutter macht mit Fotos ihres lebensgefährlich verletzten Sohnes Stimmung gegen Medien und Flüchtlinge. weiterlesen

Anzügliches Kinderfilmchen auf youtube gelöscht. Online bleibt es trotzdem.

Vor einigen Tagen berichtete ich über einen Film, den ein europäischer Fernsehsender über ein zwölfjähriges Mädchen gemacht hatte, das als Sängerin an einer Talentshow teilgenommen hatte. Der Film war vor zwei Wochen im Kinderkanal des Senders gelaufen und vorab über verschiedene Kanäle wie etwa Facebook oder youtube mit einem Trailer beworben worden. Im Trailer kam das Porträt noch wie ein ganz normales Porträt rüber – ein süßes Mädel, das gerne rumtollt, Tiere mag und vor allem gerne und schön singt. Ein youtube-Profil zeigte nach der Ausstrahlung dann den gesamten Film, oder zumindest den größten Teil davon. Darin fanden sich dann in den letzten acht von 23 Minuten auch Szenen, die jedem sittlich auf westlichen Standards verankerten Menschen die Schames- und auch die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen müssen. Anzügliches Kinderfilmchen auf youtube gelöscht. Online bleibt es trotzdem. weiterlesen

Sex sells – auch schon mit zwölf.

Würden Sie Ihre zwölfjährige Tochter in aufreizender Kleidung ablichten oder aufnehmen lassen und das Material ins Internet stellen, sichtbar für Millionen von Menschen, die Sie nicht kennen? Manche Dinge sind einfach unbegreiflich, manchmal ist es das Verhalten von Eltern, das sprachlos macht. Die Fotos im Artikel zeigen Screenshots von Szenen aus einem Film, die ich auf YouTube gemacht habe. Das Kleid, das das Mädchen trägt, würde wahrscheinlich jeder Prostituierten oder jedem Pornosternchen gut zu Gesicht stehen: schulterfrei, hauteng und scheinbar noch extra hochgerafft. Noch drei Zentimeter kürzer, und es gäbe den Blick frei auf Schritt und Unterhöschen. Sex sells – auch schon mit zwölf. weiterlesen

Böhmermann vs. Blödmann oder die Sache mit dem Schmähgedicht

Was darf Satire? Nicht wenige würden hier wie aus der Pistole geschossen mit „alles“ antworten. Warum eigentlich? Ganz einfach: Es passt, es klingt so herrlich rebellisch, man braucht nicht weiter nachzudenken. Der Fall Jan Böhmermann, der mit seinem „Schmähgedicht“ den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan satirisch abstrafen wollte, hat die Frage danach, wo Satire beginnt und wo sie endet, erneut aufgeworfen. Jeder Versuch einer Antwort oder Klärung muss sich aber zunächst mal der Frage widmen, was unter Satire eigentlich ursprünglich verstanden wurde und bis heute gemeinhin zu verstehen ist.

Der Journalist Ralf Heimann hat sich mit dieser Frage für das Journalisten-Portal newsroom.de befasst. Satire, so Heimann, müsse vor allem eines: treffen. Tatsächlich? Nun, getroffen hat Böhmermann den türkischen Präsidenten ohne Frage. Doch ist das wirklich der einzige oder auch nur der hauptsächliche (wie Heimann meint) Sinn und Zweck von Satire? Ich würde dem nicht zustimmen wollen, und sogar noch weiter gehen: Diese These ist in ihrer Banalität unhaltbar.

Die feinste Satire ist unstreitig die, deren Spott mit so wenig Bosheit, und so vieler Überzeugung verbunden ist, daß er selbst diejenigen zum Lächeln nötigt, die er trifft.

Das sagte vor rund 250 Jahren der bekannte deutsche Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg über das Wesen der Satire. Und genau das macht den Unterschied zwischen Satire und plumper Beleidigung: Sie trifft, ja! Aber sie trifft – wenn sie gut gemacht ist – nicht die persönliche Ehre eines Menschen, sondern seine tatsächlichen Defizite innerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen Funktion, die er ausübt. Denn Zweck der Satire ist es eben nicht einfach nur, zu treffen. Das würde auch mit einer einfachen Beleidigung oder Verleumdung erreicht. Satire muss von Letzterer klar abzugrenzen sein und ist es auch. Satire hat stets auch den edlen Anspruch,  unschöne Wahrheiten aufzeigen, thematisieren, anprangern und dadurch bessern zu wollen. So gesehen hat Satire immer auch einen pädagogischen Auftrag. Kurt Tucholsky hat das einst sehr gut auf den Punkt gebracht:

Satire hat eine Grenze nach oben: Buddha entzieht sich ihr. Satire hat auch eine Grenze nach unten. In Deutschland etwa die herrschenden faschistischen Mächte. Es lohnt nicht – so tief kann man nicht schießen.

Recht hat er. Jan Böhmermann hat mit seinem Schmähgedicht klar zu tief geschossen. Man muss kein erklärter Erdogan-Fan sein, um das festzustellen. Dazu muss man sich selbst einfach nur an die Stelle Erdogans denken und überlegen, wie man selbst reagieren würde, wenn so etwas zur besten Sendezeit im TV über einen gesagt würde. Satire ist das nicht, stattdessen müssen dem Moderator schlicht und ergreifend im allgemeinen Hype um Erdogans Versuche, die deutsche Pressefreiheit zu untergraben, sämtliche Gäule durchgegangen sein. Einem Dritten in aller Öffentlichkeit „Schrumpelklöten“, die „schlimm nach Döner“ stänken, und einen „Kopf so leer wie seine Eier“ attestieren – lieber Böhmermann, das darf in Deutschland auch ein Journalist nicht einfach so, auch nicht nur mal bloß so zum Spaß. Und ich wüsste nicht, seit wann solche – noch nicht mal künstlerisch irgendwie originellen oder wertvollen – Entgleisungen von der Pressefreiheit gedeckt wären. Wenn ich den Bürgermeister von xyz in einem Artikel so karikieren würde, weil er meiner Ansicht nach die örtliche Presse nicht gebührend respektiert, könnte ich das dreimal als Satire kennzeichnen – ich hätte eine dicke Anzeige am Hintern kleben und wäre vermutlich auch meinen Job los. Und das zu Recht. Satire darf eben nicht alles. Das heißt: Mancher mag diese Auffassung vertreten und darf natürlich auch danach handeln – er muss aber auch die Konsequenzen tragen können. Schon unser Grundgesetz stellt der Freiheit von Presse und Kunst die Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen als gleichrangig anbei. So wie Satiriker nach Herzenslust Satire be- und übertreiben können, darf das Opfer dieser Schmähungen nach Herzenslust klagen, sobald es sich als Person verunglimpft sieht. Daraus ergibt sich in logischer Konsequenz, dass auch die Pressefreiheit ihre Grenzen hat – nämlich dort, wo meine satirischen Verrenkungen einen Dritten auf eine Weise treffen, die weder einen Sinn hat noch wahre Tatsachen oder Missstände anspricht, sondern schlicht und ergreifend eigene Eitelkeiten bedienen soll – und dabei in all ihrer Unappetitlichkeit Selbstherrlichkeit und Selbstüberschätzung des Urhebers erkennen lässt. Mich auf einen Marktplatz zu stellen und irgendeinem Politiker (den ich übrigens durchaus aus vielen ehrbaren und nachvollziehbaren Gründen verachten kann) zu attestieren, er sei wegen diesem oder jenem ein Arschloch mit stinkenden Klöten und hohler Birne, macht mich nicht zum Satiriker. Das Geheimnis gelungener Satire liegt vielmehr darin, einen Weg jenseits der Rechtswidrigkeit zu finden, um Spott und Hohn über den Umweg der Karikatur über dem auszuschütten, der sie verdient.

Um das noch mal klar zu sagen: Ich habe den extra-3-Clip über Erdogan genossen, denn ER ist unzweifelhaft Satire. Er spricht reale Missstände des Regimes Erdogan an, überspitzt, polemisiert, pointiert. Herrlich! Nichts hat ein selbstherrlicher Sonnenkönig wie Erdogan mehr verdient. Doch was Böhmermann geliefert hat – das ist einfach nur sehr sehr dumm gewesen. Denn sein „Gedicht“ verrät mehr über ihn selbst als über den, den es adressieren sollte.

Nichtsdestoweniger hat mich die lasche Positionierung von Kanzlerin Angela Merkel in der Kontroverse um die Pressefreiheit enttäuscht. Nach meinem Ermessen hätte es hier eine klare Ansage gebraucht:

1. Satire wie der Exra-3-Clip sind klar von der Pressefreiheit gedeckt, die in Deutschland unanfechtbare Rechtsgrundlage ist.

2. Persönlich herabwürdigende Entgleisungen auf Pennälerniveau wie die von Jan Böhmermann fallen nicht unter die Presse- oder künstlerische Freiheit.

3. Ein Staatschef eines fremden Landes hat der deutschen Kanzlerin nicht vorzuschreiben, wie sie auf solch einen Vorfall zu reagieren hat, und schon gar nicht auf  einer bestimmten Bestrafung oder Konsequenz zu bestehen. Erdogan wollte diese Angelegenheit, die eigentlich nur ihn und die jeweiligen Journalisten betraf, zu einer politischen Sache machen und damit Druck ausüben. Und hier hätte die Kanzlerin unmissverständlich klar machen müssen, dass sie sich Derartiges verbittet.

 

 

Nach NSDAP und NSU die NSA – Deutschland wird den NS-Fluch nicht los.

In Moskau sitzt ein junger Mann im Transitbereich eines Flughafens fest. Er hat soeben Europa davon in Kenntnis gesetzt, dass seine Bürger massiv vom US-Geheimdienst überwacht, Politiker und zentrale Institutioen ausspioniert worden sind. Er hat in rund 30 Staaten um Asyl ersucht – jene, denen er mit seiner Aktion die Augen öffnen wollte, haben sein Gesuch allesamt abgelehnt, darunter auch Deutschland. Protest gibt es dagegen keinen. In Deutschland sind der Bau eines unterirdischen Bahnhofes oder die Ablagerung von Atommüll wichtiger als das Schicksal eines Menschen, der sich in den Dienst der Öffentlichkeit stellen wollte, oder gegen Überwachung im ganz großen Stile vorzugehen und Bürgerrechte zu verteidigen.

Es mutet tatsächlich ein wenig wie ein Fluch an. Mit den Buchstaben N und S hat Deutschland nicht viel Glück. Nach dem Vernichtungsfeldzug der Nationalsozialisten (NS) im 3. Reich und der rassistischen Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) zwischen 2000 und 2006 folgt nun der Skandal um die Bespitzelung des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA). Eine halbe Milliarde Daten soll die NSA monatlich aus deutschen Büros und Wohnzimmern abfangen – ob man diese Praxis mittlerweile zurückgefahren oder eingestellt hat, ist nicht bekannt. Dass die Geheimdienstler in Deutschland öffentliche Institutionen verwanzten und Telefone, Handys und Computer überwachten, ist hingegen sehr wohl bekannt – das allerdings nur, weil ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter ausscherte und den Gehorsam verweigerte.

Edward Snowden. Rechte: Laura Poitras via Wikimedia Commons
Edward Snowden. Rechte: Laura Poitras via Wikimedia Commons
Der 30-jährige Edward Snowden ist seither so was wie the „next big thing“ unter den Whistleblowern, nach Wiki-Leaks-Guru Julian Assange, Mordechai Vanunu oder Prototyp Daniel Ellsberg. Letzterer enthüllte 1971 jahrelangen Lug und Trug der US-Regierung, was Vorgänge während des Vietnam-Kriegs betraf, um diesen vor dem eigenen Volk zu rechtfertigen. Ähnliches tat Assange später in Bezug auf die US-Kriege in Irak und Afghanistan.

Nun also Snowden – ein fast schon jungenhaftes Bübchen mit weichen Gesichtszügen, den man eher hinterm Kundentresen eines Handy-Shops vermuten würde, als beim Geheimdienst. Quasi sympthomatisch ist die zweithäufigste Google-Anfrage in Bezug auf Snowden gleich nach „Snowden Wiki“ „Snowden girlfriend“… als hätte der Mann derzeit keine größeren Probleme als auf Brautschau zu gehen.
Was treibt einen 30-jährigen, der durch seinen Job beim Geheimdienst für einen jungen Mann ein äußerst privilegiertes Leben genießen durfte, dazu, seine hübsche Villa samt hübscher Frau auf Hawaii gegen einen kahlen Raum im Transit-Bereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo zu tauschen, wo er sich bis heute angeblich aufhalten soll? Einerseits gibt Snowden an, bereits seit Jahren ein schlechtes Gewissen wegen all der umfassenden Überwachung seiner Regierung gehabt zu haben, derer er Zeuge wurde. Angeblich habe er die geheimen Daten bereits 2007 veröffentlichen wollen (da war er 23!), habe aber nach der Wahl Obamas zum US-Präsidenten und dem damit verbundenen Ende der neokonservativen Herrschaft in den USA neue Hoffnung geschöpft. Andererseits meldet sich jener Edward Snowden 2003 unter Präsident George W. Bush zur US-Army, um im Irakkrieg zu dienen. So ganz wird man also nicht schlau aus Snowdens Haltung zum System. Fakt scheint zu sein, dass Snowdens Karriere beim Geheimdienst nach seiner Reservistenzeit begann, nachdem er aufgrund einer schweren Unfallverletzung nicht weiter dienen konnte.

Wie dem auch sei: der Fall Snowden hätte eigentlich wie eine Bombe einschlagen sollen – und kommt doch eher als Blindgänger daher. Noch immer sitzt der Whistleblower in Moskau fest, seine Tat dankt ihm im Prinzip niemand. In Deutschland, das eines der Hauptopfer des Abhörskandales sein soll, hebt die Story praktisch niemanden an. Die Zeitungen berichten zwar rauf und runter, doch die Politik, also diejenigen, die als aufrechte Demokraten und Verteidiger einer Verfassung, die den Schutz der Privatsphäre und der übermittelten Daten hochhält, eigentlich aufschreien sollten, übt sich in erstaunlicher Zurückhaltung. Niemand, mit Ausnahme der üblichen Verdächtigen, bietet Snowden Unterstützung an, stattdessen wenden sich alle ab und überlassen einen Mann seinem Schicksal, dem in den USA eine Anklage wegen Geheimnisverrats und vermutlich eine lebenslange Haftstrafe blüht – weil er uns wissen lassen wollte, dass der Große Bruder immer mithört und -liest. Dass die USA ganz unverblümt allen Staaten drohen, die signalisieren, Snowden Asyl geben zu wollen – kaum ein Medium greift diese Tatsache kritisch auf. Stattdessen muss man Aussagen des US-Außenministers solch dreister Couleur über sich ergehen lassen, dass es einen innerlich fast zerreißt: „Die USA werden Länder für schlechtes Verhalten nicht belohnen“, so Bob Menendez – ohne rot zu werden.

Selbst Linke und Grüne zeigen sich erstaunlich abgestumpft im NSA-Skandal. Mit Ausnahme einiger alibimäßiger Vorstöße bleibt es auch hier ruhig. Wo ist denn die viel beschworene Protestkultur der Linken geblieben? Wo bleibt der Druck auf die Regierung? Es ist eigentlich kaum zu glauben: Da gibt ein Mann seine sichere Existenz auf und lässt sich jagen, damit andere Menschen Kenntnis über gewisse Vorgänge erlangen, um etwas dagegen unternehmen zu können – und in Deutschland interessiert’s eigentlich kein Schwein. Sind wir schon so abgeklärt und demokratiemüde, dass wir systematische Überwachung, um die die USA sicherlich von der STASI aufrichtig beneidet worden wäre, einfach hinnehmen? Wenn in Moskau randalierende Mädchen, die angeblich gegen Prüderie und Orthodoxie in der Gesellschaft protestieren wollen, zwei Jahre ins Arbeitslager marschieren, gibt es Demos ohne Ende. Aber wenn einem jungen Mann lebenslange Haft droht, der gegen weltweite Spionage und massive Bespitzelung zahlloser Europäer durch die US-Regierung zu Felde zieht – still ruht der See. Wird Snowden einfach zum Verhängnis, dass er sich den falschen Feind ausgesucht hat? Barak Obama ist kein Wladimir Putin – zumindest ist hier die Wahrnehmung der westlichen europäischen Gemeinschaft recht eindeutig. Doch statt aufzuwachen und die Qualität der so viel beschworenen engen Bindung Deutschlands an die USA auf den Prüfstand zu stellen, wird weiter brav an alten Mustern festgehalten. Neue Besen kehren eben doch schlecht…

Was auch immer Snowdon für Motive gehabt haben mag – die Reaktion Deutschlands auf sein Öffentlichmachen der amerikanischen Totalüberwachung ist eigentlich der weitaus größere Skandal. Für eine derartige Zurückhaltung kann es eigentlich nur einen einzigen Grund geben: Die deutsche Regierung war bis ins Detail eingeweiht in die Bespitzelung ihrer Bürger und hat diese billigend in Kauf genommen, um am Ende selbst davon zu profitieren, ohne sich dabei selbst die Hände schmutzig machen zu müssen. Dabei muss man nun erkennen, dass der Große Bruder dabei wohl ein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist – und man selbst Opfer ausgedehnter Spionageattacken wurde. So war das nicht geplant. Doch mal wieder sitzt man im Glashaus, und da macht sich das Steinewerfen bekanntlich schlecht. Würde Deutschland jetzt rigoros auf eine Aufklärung der Affäre pochen, würde am Ende ja rauskommen, dass man selbst das ganze Ding mit einrührte und von allem wusste. Eine Regierung, die bis heute eine Behörde zur Aufklärung der STASI-Verbrechen betreibt, und selbst über Dritte ihr eigenes Volk bespitzeln lässt. Dieser Fleck würde die weiße Weste ziemlich arg besudeln. Und das macht sich bekanntlich besonders schlecht, wenn Wahlkampf herrscht.

Deutschland müsste Edward Snowden gar nicht Asyl gewähren. Es würde bereits ausreichen, wenn es seine Solidarität mit dem Whistleblower signalisieren und damit ein klares Zeichen an die Adresse der USA setzen würde. Ähnlich, wie man das mit Pussy Riot tat. So aber ist unser Verhalten einfach nur beschämend. Kaum etwas bringt die Bigotterie und Zweierleimaßmessung getreu dem Schema aus dem Kalten Krieg vom „guten Westen und bösen Osten“ besser zur Geltung als die Snowden-Affäre im Vergleich zur Pussy-Riot-Affäre. Es ist politisch schick, gegen den nackt reitenden Mann aus Moskau zu wettern, aber es gilt als politisch verhängnisvoll, sich mit den USA anzulegen – zumal, wenn man von deren kriminellen Machenschaften selbst profitiert.

Vom Leben in einer Blase – Der Fall Daniel Heißmann.

Deutschland ist heute ein freies und weltoffenes Land, in dem alle seine Bürger gleichermaßen anerkannt sind und über dieselben Rechte, Chancen und Möglichkeiten verfügen. Seine dunkle Vergangenheit hat es erfolgreich überwunden, seine Bewohner haben aus den schrecklichen Folgen von Hass, Fanatismus und ins Extrem degenerierter Intoleranz gegenüber anderen Kulturen gelernt. Kurzum: Deutschland ist heute ein Land, von dem andere Staaten, insbesondere der Dritten Welt, lernen können, wie eine moderne, zivilisierte und demokratische Gesellschaft funktioniert.

Soweit, verehrte Leser, zur Blase, in der wir leben. Eine Blase, die sorgsam gehütet und verteidigt wird gegen jedwede Anwürfe von außen, auf dass sie ja nicht platzen möge. Hin und wieder wagt einer, hineinzustechen. Doch die Haut der Blase ist dick, und wenn man diese kleinen Attacken nur gut genug abwehrt und unter den Teppich kehrt, entweicht höchstens mal ein wenig Luft aus dem Inneren, und schon ist das Loch geflickt.
Was ich damit sagen will? Tatsache ist, dass sich heute in Deutschland alles und jeder hinter dem mühsam gehegten Bild der weltoffenen, toleranten Demokratie verbergen kann, sogar überzeugte Antidemokraten und Menschenverachter wie die Neonazis der NPD oder die rechtskonservativ-fundamentalistische Anti-Islam-Front krauchen unter diese Decke und geben sich nach außen als lupenreine Demokraten. Die landläufige Vorstellung von Demokratie basiert dabei oft auf der Idee von Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit – allerdings nur für Deutsche und jene, die ins Konzept passen.

Der 30-jährige Daniel Heißmann passte nicht ins Konzept. Der gelernte Altenpfleger wurde in Sri Lanka geboren und im Alter von 6 Wochen von einem Münchner Ehepaar adoptiert. Seine Haut hat die Farbe des Südens, sein Haar ist schwarz. Doch Daniel Heißmann ist Deutscher, spricht akzentfrei Deutsch. Den Pflegebedürftigen, um die sich Daniel aufopferungsvoll kümmern, ihnen im Alltag eine Hilfe sein wollte – nicht wenigen von ihnen war er nicht „deutsch genug“. Mit den Worten „Lass das doch ‚den Deutschen‘ machen“ machten Sie ihm klar, dass sie von einem „Schwarzen“ nicht angefasst und schon gar nicht gepflegt werden wollten. Der Gedanke war ihnen so zuwider, dass sie sogar bei dem mobilen Pflegedienst anriefen, bei dem Daniel Heißmann arbeitete. Sie drohten mit der Kündigung ihres Pflegevertrages, „wenn der Schwarze noch mal käme“. Sicherlich waren es nicht alle Patienten des Pflegedienstes, doch es waren immerhin so viele, dass sich die Firma schließlich „gezwungen sah“, Daniel Heißmann aus wirtschaftlichen Befürchtungen heraus den Stuhl vor die Tür zu stellen. Gekündigt wegen seiner Hautfarbe, mitten in Deutschland. Wie viele Daniel Heißmanns es in Deutschland wohl gibt, die mit ihren Erlebnissen nicht an die Öffentlichkeit gehen?

Wer nun glaubt, die Episode hätte sich irgendwo in einer ohnehin für ihre Affinität für rechtslastiges Gedankengut berüchtigten Kleinstadt in der Sächsischen Schweiz abgespielt, der irrt. Daniel Heißmann lebt im ach so toleranten und weltoffenen Dresden; der Pflegedienst, bei dem er just von jenen Menschen, denen er helfen wollte, aufgrund seiner Hautfarbe eiskalt rausgemobbt wurde, ist im gutbürgerlichen Stadtteil Striesen zu Hause.
Dass Rassismus in dieser Stadt wie in den meisten anderen Gegenden Deutschlands zumindest latent an der Tagesordnung ist, das belegen Fälle wie dieser. Doch davon wollen viele hier nichts wissen. In Dresden gäbe es keinen Rassismus und keine Ausländerfeindlichkeit, und wenn doch mal was passiert, dann sind das die wenigen Ausnahmen, die Nazis, kaum nennenswerte Randerscheinungen. So oder so ähnlich lautete der Tenor, als der Mord an Marwa El-Sherbini die Blase empfindlich an den Rand des Platzens brachte. Und auch nach Bekanntwerden des Falles Daniel Heißmann (Dresdner Neueste Nachrichten v. 1.8.11) bleiben Stellungnahmen der Politik und klare Bekenntnisse die absolute Ausnahme. Man schweigt lieber oder verweist auf die vielbeschworene „Ausnahme“. Wie kann es sein, dass Dresdens Bürgermeister Dirk Hilbert (FDP) es nicht für nötig hält, auf diesen Vorfall zu reagieren und klare Worte für diese ungeheuerlichen Geschehnisse zu finden? Man kann Derartiges doch unmöglich unkommentiert lassen und somit quasi durchwinken!!

Hier waren keine Nazis am Werke, sondern gut situierte Bürger aus der Mitte der Gesellschaft, zudem einer demografischen Gruppe angehörend, die in Dresden wie im Rest des Landes eine Mehrheit darstellt. Statt froh zu sein, dass ein junger Mensch sich zur Aufgabe gemacht hat, ihnen in ihrem beschwerlicher werdenden Alltag der letzten Lebensjahre zu helfen, entwickeln sie ungeahnte Energien, um diesen Menschen wegzumobben.

Problematisch ist an dieser Geschichte für meine Begriffe auch die Reaktion des Pflegedienstes. Ist es so weit schon gekommen, dass man sich von Rassisten erpressen lässt, um diese weiter pflegen zu dürfen und keine Umsätze einzubüßen, und dabei sogar in Kauf nimmt, andere ins Unglück zu stürzen? Hier hätte es einer standhaften und unverrückbar auf demokratischem Boden verankerten Unternehmensführung bedurft, die diesen Patienten klarmacht, dass wir nicht mehr im Nationalsozialismus leben, sondern in einer weltoffenen Demokratie. Solche Abwägungen von Eigennutz und Interessen haben den jahrelangen Fortbestand der nationalsozialistischen Diktatur erst ermöglicht.
Dass solch klare Positionierungen bereits seit Jahrzehnten an allen Ecken und Enden in Deutschland fehlten, zeigt der Umstand, dass es solche Leute überhaupt in so großer Zahl gibt, die meinen, es wäre in Ordnung, einen anderen aufgrund seiner Herkunft oder Hautfarbe zu diskriminieren. Menschen, die meinen, in Zeiten von Pflegekräftemangel und demografischer Krise noch die Frechheit an den Tag legen zu können, gutes Personal aufgrund seiner Hautfarbe abzulehnen, sollten künftig sehen, wie sie zurande kommen. Leute, die niemals öffentlich in Erscheinung treten und die Entrechtung anderer Kulturen fordern würden, aber in ihrem privaten Umfeld alte Stereotype und Vorurteile pflegen und, darauf angesprochen, nichts gegen Ausländer haben wollen.
Solche Leute überhaupt zu pflegen, scheint grotesk. Dass auch heute vielerseits der Mut fehlt, sich dem offen entgegenzustellen, ist einfach nur traurig – und vor allem erzeugt es die Gewissheit, dass in Deutschland jeder mit seinem täglich gelebten Rassismus durchkommen kann, solange er am längeren Hebel sitzt.

Es ist eine Illusion, zu glauben, wir seien in irgendeiner Weise weltoffener oder toleranter als andere Staaten. Ein Rechtssystem kann noch so auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung ausgelegt sein – es wird wertlos, wenn seine Bürger nicht auch in ihrem Innersten dazu stehen und dies auch täglich so leben. Zurück bleibt eine pseudodemokratische, pseudotolerante Hülle, die nach außen verspricht, was sie von innen her nicht halten kann – eine ausgerufene Demokratie ohne Bekenntnis.

Heil dir, Profit.

Gewitterstimmung im Reichstag, Bombenstimmung beim Feudalregime in Riad – dort freut man sich derzeit nämlich über 200 nigelnagelneue Kampfpanzer des Typs Leopard, bestückt mit allen Rafinessen, die das Herz eines jeden Kriegstreibers höher schlagen lassen würden. Im Reichstag rümpft man derweil politisch korrekt die Nase: Linke, SPD und Grüne sind vergrätzt – die Koalition hat nicht Bescheid gesagt, als man den Milliardendeal mit Riad ausheckte.
Als ob es nicht schlimm genug wäre, dass unser wohlstandsverwöhntes Land gerade mal wieder den Reibach auf Kosten anderer Menschen macht, die durch diese Panzer sterben werden: Wir machen dicke Geschäfte mit Leuten, die wir an anderer Stelle für ihre Rückständigkeit und Skrupellosigkeit an den Pranger stellen. Und wir tun das, obgleich die Debatten über Waffenlieferungen an den Verrückten Gaddafi in Libyen, der diese momentan gegen sein eigenes nach Freiheit strebendes Volk einsetzt, noch nicht ganz verklungen sind.

Der deutschen Führung ist es schlicht wurst, ob gefährliche Waffen in die Hände von Leuten geraten, die nicht unterstützt, sondern geächtet gehören. Es ist genau so lange wurst, wie diese Leute auf der „richtigen Seite“ stehen, da wichtig im geostrategischen Sinne – soll heißen: zur Absicherung der eigenen Vormachtstellung in der Welt. Was interessiert es da, ob man Despoten Mittel in die Hand gibt, die zur Not auch zur Absicherung einer totalitären Diktatur beitragen könnten? Was interessiert es uns schon, ob wir die Fehler, die wir in der Vergangenheit schon x-mal gemacht und die immer wieder zu blutigen Verbrechen geführt haben, noch mal machen? Es lebe der Profit, und es lebe die Weltmacht Deutschland! … Heil!

Jetzt sollte man aber nicht so naiv sein und ins Träumen geraten. Weltmacht? Hand aufs Herz: Deutschland ist ohne die Zustimmung der USA und ihrer Nahost-Exklave Israel nicht handlungsfähig. Die Erlaubnis für den Panzerdeal mit dem Ölprinzen von Riad mussten wir uns in Washington und Westjerusalem abholen. Heißt im Klartext, dass das eigentliche Geschäft zwischen Washington, Berlin und Westjerusalem ablief: Wir kriegen die Rüstungsaufträge, die uns in den nächsten Jahren Kohle satt bringen werden, die USA mehr Einfluss in Nahost und Israel weiß deutsche Panzer als Rückendeckung für eventuelle militärische Vorstöße gegen den Iran oder andere Staaten der Region

Mir wird übel, wenn ich sehe, in welche Richtung dieses Land treibt. All dieses standhafte Beharren auf der bedingungslosen Unterstützung Israels, vermeintlich aus historischer Verantwortung heraus, kann längst nicht mehr kaschieren, worum es eigentlich geht: Es geht nicht um historische Verantwortung aufgrund des Holocaust, es geht um Macht, um nichts anderes. Wenn Deutschland Israel nicht derart für seine Ziele im Nahen Osten brauchen würde, wäre uns das Existenzrecht dieses durch Verdrängung und Aggression und nicht zuletzt unsere eigenen Verbrechen entstandenen Staates nicht wichtiger als das des Iran oder von Burkina Faso. Und an die liefern wir bekanntlich keine Leopard-Panzer.
Dafür aber an ein Regime, gegen das die Schreckensherrschaft eines Saddam Hussein wie das reinste Zuckerschlecken daherkommt. Ein Mensch zählt dort nichts, von der Situation der Frauen mal gar nicht zu sprechen.

Und die deutsche Öffentlichkeit? Sie übt sich in Schweigen. Natürlich, ja! Schlimm ist diese Geschäftemacherei mit Waffen und dann ausgerechnet auch nicht mit muslimischen Tyrannen. Hätte man die Panzer nicht stattdessen gleich nach Israel schicken können?
Aber letztlich haben wir ja keinen Schaden davon, oder? Im Gegenteil – bei uns haben Firmen wieder die Auftragsbücher voll und können neue Zeitarbeiter einstellen. Die Kasse klingelt da natürlich bei den Unternehmen, weniger bei den Arbeitern. Aber was soll’s? Es geht ja ums Prinzip…
Außerdem haben wir ja ohnehin keine Zeit für Protest und Widerstand: Es gibt andere Felder zu beackern – die Stuttgarter Innenstadt zum Beispiel, dort soll schließlich ein unterirdischer Bahnhof gebaut werden. Das kostet Zeit, da Zehntausende auf die Straße zu bringen, für Protest gegen Waffengeschäfte mit Despoten bleibt da nix über.
Ja, als Wohlstandskind hat man’s schon nicht leicht.

Kirchentag – eine Geschichte voller Missverständnisse.

Lange hatte sich Dresden vorbereitet auf DAS Großereignis des Jahres, den 33. Evangelischen Kirchentag. Der liegt nun bereits längst wieder in der Vergangenheit – Gott sei dank, kann man fast sagen. Den meisten Kirchentags-Fans dürften die fünf Tage wie im Fluge vergangen sein, aus der Perspektive einer schwer arbeitenden Dresdnerin und Nichtchristin zogen sie sich hingegen wie Gummilitze.
Als bei einer Dresdner Tageszeitung Tätige war ich wie viele meiner Kollegen auch natürlich im Großeinsatz – alle fünf Tage, und das auch noch krank. Das hieß, man war vorzugsweise dort, wo gerade am meisten los war und stürzte sich mitten ins Getümmel – und davon gab es zum Kirchentag reichlich bei 300000 Gästen, die die Einwohnerzahl Dresdens mal schlagartig um 50% erhöhten.
Wenn man nun von Termin zu Termin muss, findet man freilich wenig Gefallen an glückstrunkenen Leuten, die Straßen und öffentliche Verkehrsmittel blockieren und die schon bei der leisesten Bitte um Rücksichtnahme eine Spaßbremse wittern. Denn das war die andere Seite des Kirchentages, die dunkle, sozusagen: Nächstenliebe – von den Kanzeln der zahlreichen Gottesdienste und Bibelarbeiten so häufig gepredigt – war etwas, das man mit Gleichgesinnten teilte. Wer ausscherte oder es gar wagte, als Einwohner und Berufstätiger ein Stück weit Normalität und Rücksichtnahme für sich einzufordern, der stieß schon mal auf Verständnislosigkeit und Renitenz.

Richard David Precht brachte dieses Verhaltensmuster am Kirchentagssonnabend in der Frauenkirche pointiert auf den Punkt: Nächstenliebe sei etwas, das den gemeinen menschlichen Verstand überfordere, der Mensch könne danach gar nicht handeln, wenn die Forderung allgemein im Raum stünde, so wie es die christliche Lehre ja formuliert. Im Grunde leben Christen also in einer Scheinwelt, in der sie Ziele formulieren, die so nicht umsetzbar sind, Precht nannte es die „Uneigentlichkeit“ aufgestellter Erwartungshaltungen. Der menschlichen Natur entspreche es vielmehr, seinen Nächsten zu lieben, wenn der mich auch liebt – und deshalb liebt am Ende kaum einer irgendwen. Aber keine Angst, nicht nur Christen erliegen der Uneigentlichkeit, auch alle anderen sind nicht frei davon.

Als Nichtchrist und somit Kirchen-Laie erstaunt hat mich, dass es in den Kirchen und Gemeinden anscheinend nichts als Blasmusik gibt, so gut wie nie traf man bei Veranstaltungen Streicher oder Piano. Da ich keine Blasmusik mag, war also leider bereits das musikalische Erlebnis megamäßig abtörnend, zumal wenn im Prinzip überall dieselben Lieder erschallen – hier hauptsächlich der dreifache Bläserruf des Kirchentages, der bis zum Erbrechen hingeschmettert wurde.

Als Nichtchrist und Kirchen-Laie regelrecht erschrocken hat mich, dass ich den Kirchentag zu mehr als 50% mit meinen Steuern mitfinanzieren muss. Wenn man sich vor Augen hält, dass die Kirchen ohnehin bereits mit Mitteln aus dem Steuersäckel vom Staat unterstützt werden (außerhalb der Kirchensteuer), dann fragt man sich wirklich, wie das sein kann. Keine andere Großveranstaltung privater Akteuere erhält staatliche Zuschüsse, die meisten Vereine und Verbände müssen ohnehin zumeist um jeden Cent staatlicher Förderung kämpfen. Aber hier richtet ein Verein sein ganz eigenes Fest aus und bekommt das zu mehr als der Hälfte vom Staat bezahlt. Kein Wunder, dass sich die Kirche da sagt: Jo mei, klasse, da können wir doch richtig auf die Kacke hauen und feiern gleich fünf Tage lang! Frei nach dem Motto des Kirchentages: „Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein“ (Matth., Bergpredigt). Wenn man also nur genug Geld reingebuttert hat, liebt man den Kirchentag ganz automatisch.
Für meine Begriffe ist die Finanzierung dieses Spektakels in einem Land, das laut Grundgesetz weltanschaulich neutral ist, ein Skandal und nicht wirklich plausibel zu begründen. Künftig sollten solche Veranstaltungen von der Kirche getragen werden – oder wofür zahlen die Christen ihre Kirchensteuer? Wofür zahlt der Staat jährlich Millionen an die Kirchen?

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Auch Christsein macht noch lange keinen vernünftigen, umsichtigen Menschen, und Bescheidenheit, liebe Kirchen, sieht sowieso anders aus.

Da wiehert der Amtsschimmel.

Bekanntlich sollen ja im Sowjetischen Garnisonfriedhof die Grabsteine abgerissen werden, weil die Pflege, für die ab 2011 übrigens mit dem Amt für Stadtgründ und Abfallwirtschaft die Stadt Dresden zuständig sein soll, dann weniger aufwendig und damit billiger ist. Aber irgendwo muss man schließlich das Geld, das man anderswo ins Blaue pulvert, wieder reinholen – wieso also nicht bei den verwitterten Gräbern der ehemaligen Besatzer?

Denn: Abgerissen wurde soeben in unserer schönen Stadt auch etwas ganz anderes: ein guter Teil der gerade erst für teures Geld (200.000 Euro) errichteten Flutschutzmauer in der Dresdner Friedrichstadt. Gut 20.000 Euro einfach zum Fenster rausgeworfen, weil man – sorry – schlichtweg zu blöd war, eine ordentliche Planung hinzulegen, die die an dieser Stelle geplante Straßenbahntrasse zum Messegelände berücksichtigt.

Weiteres Beispiel: Das sogenannte „Wiener Loch“ am Dresdner Hauptbahnhof. Seit Mitte der 90er-Jahre dümpelt die riesige Baugrube als Investitionsleiche vor sich hin. Zig Nutzungsmodelle kamen und gingen – keins wurde bislang verwirklicht. Allein die Sicherung des Lochs verschlingt seit über 15 Jahren monatlich 30.000 Euro an Steuergeldern – hochgerechnet auf 15 Jahre satte 5,5 Millionen Euro. Millionen wurden bislang zusätzlich investiert – ohne, dass es zu einem Ergebnis geführt hätte, das zur Refinanzierung taugte. Der Bund der Steuerzahler hat das Millionengrab deshalb in sein Schwarzbuch der Verschwendung von Steuergeldern aufgenommen. Die Baugrube erobert sich mittlerweile die Natur zurück – die wohl teuerste städtisch und staatlich geförderte Renaturierungsmaßnahe, die es in Dresden je gegeben hat.

Beispiel 3: Die 39. Grundschule auf der Schleiermacherstraße in Dresden-Plauen. 2005/06 wurde das über 130 Jahre alte Gebäude für mehr als eine halbe Million Euro saniert. Allerdings derart schlampig, dass die Schule nur 4 Jahre nach ihrer Wiedereröffnung im April dieses Jahres wegen akuter Einsturzgefahr erneut geschlossen werden musste. Für knapp 1 Million Euro muss die Schule nun erneut und dieses Mal so saniert werden, wie dies bereits 2006 hätte erfolgen sollen. Auf die Idee, die Statik zumindest einmal gründlich zu prüfen, ist man bei der damaligen Instandsetzung anscheinend gar nicht erst gekommen.

Beispiel 4: Waldschlösschenbrücke. 120 Millionen Euro sollte sie ursprünglich kosten – bei Weitem genug, das Land Sachsen wollte die Brücke mit 96 Millionen Euro bezuschussen. Die neuesten Kostenprognosen stehen dank unzähliger Planungspannen und leichtfertiger Versäumnisse der Stadt Dresden mittlerweile bei stolzen knapp 160 Millionen Euro – 40 Millionen mehr als eingangs veranschlagt. Es würde nicht verwundern, dass bei einer derart dillettantischen Planung und Durchführung der Stadt Dresden der entgültige Kostenpunkt bis zum Jahr der Fertigstellung auf 200 Millionen Euro klettern würde.

So hätte man dann in Dresden in nicht mal 20 Jahren mit nur vier ausgewählten Projekten stattliche knapp 100 Millionen Euro Steuergeld verschwendet, verjubelt, einfach in den Orkus geblasen – und auf einer historischen Stätte reißt man nun die Grabsteine aus der Erde, um im Jahr einen fünfstelligen Betrag an Pflegeaufwand zu sparen.
Für so viel Dilettantismus stifte ich spontan den Wiehernden Amtsschimmel – den neuen Bürgerpreis für besonders ineffiziente und bigotte Finanz- und Verteilungspolitik von Kommunen.

Motiv: Der Amtsschimmel von Eggebek, Karl Goldhamer www.goldhamer.de
Motiv: Der Amtsschimmel von Eggebek, Karl Goldhamer www.goldhamer.de

P. S.: Vielleicht möchte jemand eine entsprechende Büste sponsern? Den organisatorischen Part übernehme ich 😈

Mein Beitrag zur Sarrazin-Kontroverse: kurz und schmerzlos.

oder…
Wie kann eigentlich jemand so viele Un- und Halbwahrheiten verbreiten mit der Absicht, Menschen einer bestimmten Kultur zu Untermenschen innerhalb der Gesellschaft zu stempeln, OHNE dabei ROT zu werden?
Art und wIEse findet, das geht so nicht: