
Ob Stierkämpfe in der Arena oder die grausame Hatz durch die Straßen der nordspanischen Stadt Pamplona, die dieser Tage wieder über die Bühne geht: Es ist ein grausiges „Vergnügen“, das Menschen sich da auf Kosten unschuldiger Tiere bereiten. In der Arena werden die Stiere regelrecht zu Tode gequält, malträtiert mit eisernen Haken, Holzlatten, Lanzen und Dolchen – bis zum Todesstoß, den ihnen ein Mann versetzt, der nach außen herausgeputzt ist wie ein Pfau, während sein Inneres verrottet ist wie ein wurmstichiger Apfel. Durch die Straßen von Pamplona werden sie gehetzt – gegen ihren Willen und aufgestachelt von Tausenden adrenalingeilen Volltrotteln, die sie piesacken und mit Tüchern und Steinwürfen provozieren. Und am Ende steht auch hier der bestialische Tod in der Arena. Tierschutzorganisationen laufen Sturm gegen das sinnlose Schlachten, gegen diese entfesselten Blutorgien, und auch innerhalb Spaniens gewinnt das Lager der vehementen Gegner immer mehr Zulauf.
Umso fassungsloser ist man, wenn man Artikel wie diesen in der Sächsischen Zeitung liest, der von der Deutschen Presseagentur (dpa) übernommen wurde.
Schlimm genug, dass die spanischen Medien diesen Gräueltaten nach wie vor einen Unterhaltungswert beimessen und sogar „live“ übertragen. Aber dass auch hierzuland mit einer derartigen Einfalt und Verantwortungslosigkeit über das Thema geschrieben wird, ist ausgesprochen verdrießlich. Zitat aus dem Artikel:
Das spanische Fernsehen ist stundenlang live dabei, wenn unerschrockene Spanier gemeinsam mit zahlreichen Ausländern ihren Mut testen und versuchen, die 825 Meter lange Strecke unbeschadet zu überstehen – denn die Bullen preschen ohne Rücksicht auf Verluste ihrem Schicksal entgegen.
„Unerschrockene Spanier“, die „gemeinsam mit zahlreichen Ausländern ihren Mut testen“ und „Bullen“, die „ohne Rücksicht auf Verluste ihrem Schicksal entgegen“ preschen? Sorry, aber zynischer geht es ja fast nicht mehr. Menschen in Panik, die vor „übermächtigen Stieren um ihr Leben rennen“ – so sieht der unbekannte Autor des Artikels in Anspielung auf ein entsprechendes Denkmal in der Stadt die mitleidlose Hatz von Pamplona, das findet er „treffend“, „sehr realitätsnah“.
Ganz ehrlich? Da möchte man sich übergeben als mitfühlende Person, die sich weder zum Richter über Leben und Tod berufen fühlt noch Tiere für minderwertige Lebewesen hält. Menschen, die sich an derartigen Grausamkeiten beteiligen und sogar noch ergötzen, gehören in den Knast und nicht auch noch verherrlicht oder gar als angsterfüllte Opfer von rasenden Furien märthyrisiert. Mindestens aber müssen sie sich fragen lassen, woher dieser Hunger nach Blut und Unterwerfung kommt. Und genau das sollte auch ein kritischer Journalist. Der Autor des Artikels hingegen platziert den Aufschrei unter Tierschützern und all jenen mit gesundem Menschenverstand ganz am Ende seines Artikels – noch hinter der Nachricht, dass die Hatz für Pamplona jedes Jahr ein richtig großes Ding ist, das 1,5 Millionen Besucher anlockt, und auch hinter der Meldung, dass das diesjährige Schaulaufen maximaler Abartigkeit bereits zwei Verletzte gefordert hat. Aufgespießt am Hodensack? Recht geschieht’s dem Ami. Wer so dumm ist, der lernt oft nur aus schmerzlicher Erfahrung.
Dass sich bei der sinnlosen Treibjagd alljährlich oft mehr Bullen und Stiere als Menschen verletzen, verschweigt der Autor. Stattdessen wird aus einem im natürlichen Zustand vollkommen friedlichen Tier ein 600 Kilogramm schwerer „Kampfbulle“ – klar, das klingt auch gleich viel furchterregender und verleiht der erfundenen Mär vom menschlichen Fluchtreflex gleich so etwas wie Glaubwürdigkeit. Scheinheiligkeit trifft es eher. Auch wenn ich wie ein ranziger Oberlehrer klinge: Als Journalist hat man Verantwortung, ja auch eine gewisse erzieherische Funktion – mehr noch als jeder Lehrer, der nur für die Bildung und Erziehung der ihm unterstellten Klasse zuständig ist. Was in der Zeitung steht, verfängt – ob die Leserschaft sich das in Zeiten von „Lügenpresse“-Chören eingestehen mag oder nicht. Denn jeder sucht sich die Meldung, die seiner eigenen Einstellung am nächsten kommt, und fühlt sich bestätigt. Artikel wie der obige dürften Wasser auf die Mühlen der noch immer weit verbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber der alltäglichen Tierschinderei sein – und jene noch in ihrem Blutrausch bestärken, die das alles für „ne richtig geile Gaudi“ oder gar absurderweise für einen traditionalistischen Nachweis von Mannesehre halten.